Marienkirche

Die wunderschöne Marienkirche ist eine einschiffige Saalkirche und sowohl außen wie innen ganz im Stil des Barock gestaltet. Der Ostteil der Kirche mit dem Altarraum und angebauten Sakristeien setzt sich durch ein eigenes Dach mit niedrigerem First vom Kirchenschiff ab.

So, wie die Kirche sich heute in ihrer Funktionalität mit einer umlaufenden Empore und zwei Sakristeien darstellt, ist sie das Ergebnis größerer Umbauarbeiten im Jahre 1899. Durch die Entfernung der vorher vorhandenen zweiten Empore und der „Herrschaftslogen“ gelangt seitdem viel mehr Licht in die Kirche. 1899 wurden auch die Grüfte der Rittergutsbesitzer entfernt.

Unzulänglich reparierte Kriegsschäden und auch einfach dem „Zahn der Zeit“ geschuldete notwendige Reparatur- Maßnahmen, die unter den ungünstigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der DDR immer wieder aufgeschoben werden mussten, machten im Jahr 1967 eine umfassende Generalsanierung notwendig. Jedoch konnten lediglich drei Handwerksfirmen (für die Dacheindeckung, für Klempnerarbeiten und Malerarbeiten) unter Vertrag genommen werden. Unter schwierigsten materiellen Bedingungen wurde der Hautteil der Arbeiten durch freiwillige unbezahlte Arbeit von Gemeindegliedern und deren große Spendenbereitschaft erbracht. Bei der Restaurierung wurde die ursprüngliche farbliche Gestaltung des Innenraumes wiederhergestellt. Die weißen Decken und Wände, die dezent vergoldeten grauen Emporen und Kirchenbänke bilden seitdem den Kontrast für den wieder in seiner Farbigkeit leuchtenden Kanzelaltar.

Geschichte
Kirche von Osten mit Blick auf das Herrenhaus des ehemaligen Rittergutes "unteren Teils"

Wahrscheinlich hat Stötteritz bereits im Mittelalter eine kleine Kirche besessen. „Stötteritz“ bedeutet „Siedlung auf steinigem Acker“, und der Ort wurde 1325 zum ersten Mal erwähnt. Der Name der damaligen Kirche – die wohl eher eine Kapelle war – ist nicht mehr bekannt. Die „Kirche zu Stötteritz“ gehörte seit der Reformationszeit als Tochtergemeinde zu Baalsdorf. Kirchlich selbständig wurde Stötteritz 1887, und erst seit 1906 trägt sie den Namen „Marienkirche“.

Das Kirchengebäude ist allerdings über 300 Jahre alt: 1702/03 wurde die Kirche gebaut. Die Vorgängerin war baufällig und zudem für die angewachsene Stötteritzer Bevölkerung zu klein geworden. Die neue Kirche hatte zunächst noch keinen Turm. Der schöne Zwiebelturm mit Laterne wurde erst 1712/13 hinzugefügt: zum einen, um die Glocken unterzubringen, zum anderen, weil auch in der neuen Kirche bald wieder Platzmangel herrschte. Der weite und große Turm sollte Platz für weitere 100 Gottesdienstbesucher bieten!

Die Geschichte der Marienkirche ist eng mit den beiden Stötteritzer Rittergütern verbunden. Den Gutsbesitzern gehörte das Dorf, und sie waren zugleich Patronatsherren der Kirche. Zur Zeit des Baus der Kirche war die verwitwete Maria Magdalena Rinck von Dorstig, geborene Schmid von Schmiedefeld, Besitzerin des oberen Gutes. Das untere Gut gehörte Engelbert von der Burgk.

Das obere Gut wurde um 1900 abgerissen. Im unteren Gutshof ist heute der Verein zur Wiedereingliederung psychosozial geschädigter Menschen untergebracht.

Beide Patronatsfamilien trugen zum Bau und zur Ausstattung der Kirche erheblich bei, und so sind im Segmentbogen des Kanzelaltars die Wappen der Familie Schmid von Schmiedefeld und der Familie Rink von Dorstig eingelassen. Maria Magdalenas Sohn, Eucharius Gottlieb Rink von Dorstig (1670 - 1745), war ein berühmter Gelehrter seiner Zeit und u.a. Professor an der Universität zu Altdorf bei Nürnberg. Das in den Kanzelaltar eingefügte Tafelbild stammt wahrscheinlich von Wilhelm Pleydenwurff, einem Nürnberger Maler aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.  Es liegt nahe, dass Eucharius, der ein anerkannter Kunstsammler war, das Bild in Franken für „seine“ Kirche in Stötteritz erworben hat.

Der Turm

Als Baudirektor für den Turm wird in den Dokumenten der Leipziger Ratstischler und Stadtschreiber Johann Christian Senckeisen genannt. Bis zum Anfang des 20. Jahrhundert konnte die Kirche als das höchste Gebäude von Stötteritz von allen Wegen aus gesehen werden.

  1. Stern - Ein Stern hat den drei Weisen aus dem Morgenland den Weg zum neugeborenen Jesus gewiesen. Auch der Stern an der höchsten Spitze der Kirche ist ein Wegweiser und Zeichen, das symbolhaft auf Jesus verweist.
  2. Wetterfahne - Für die Arbeit auf dem Lande war die Wetterfahne so etwas wie der heutige Wetterbericht: aus der Windrichtung schloss man auf das zu erwartende Wetter. Auf der Wetterfahne ist das Baujahr des Turms eingraviert.
  3. Turmknopf - misst ca. 1 m im Durchmesser, wurde beim Bau und wird bei jeder Reparatur des Turms mit aktuellen Dokumenten befüllt – zuletzt 1967.
    Der Text einer Pergamentrolle von 1713, dem Baujahr des Turms, ist nachzulesen in der Jubiläumsschrift zum 300-jährigen Bestehen der Marienkirche (zu beziehen über das Pfarramt).
  4. Zwiebelhaube
  5. Laterne
  6. Lisene
  7. Volute
  8. Segmentgiebel
  9. Gesims
  10. Pilaster

Nach Frieder Wünsche: “Marienkirche Stötteritz – Die Ausstattung und ihre Funktion im Gottesdienst“, edition Akanthus, Leipzig 2003 (zu beziehen über die Marienkirchgemeinde)

Die Glocken

Nach dem Bau des Turms wurden die bis dahin im Freien stehenden Glocken in den Turm gebracht. Die Glocken wurden 1917 für den Krieg eingeschmolzen und 1922 durch drei Stahlglocken aus Bochum ersetzt. Das sind die Glocken, die wir heute hören. Ihre Inschriften stammen aus dem Brief des Paulus an die Römer (Kap. 12,12). Die große Glocke wiegt 20 Zentner, auf ihr steht: „Seid fröhlich in Hoffnung“. Die mittlere wiegt 11 Zentner und trägt die Inschrift: „Geduldig in Trübsal“, die kleine mit der Inschrift „Haltet an am Gebet“ wiegt 5 Zentner.

Figurengruppe über dem Eingang

Nach einem größeren Kirchenumbau im Jahre 1899, bei dem u.a. ein Fenster über der Eingangstür zugemauert worden und dadurch nach außen eine Nische entstanden war, wurde der Dresdner Bildhauer Oskar Rassau beauftragt, eine Figurengruppe für diese Nische zu entwerfen.

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ sollte künstlerisch umgesetzt werden. Als Rassaus Vorschlag „Christus mit einem niedergesunkenen Elenden“ konkreter wurde, gab es zwischen dem Bildhauer und dem Kirchenvorstand unterschiedliche Auffassungen. Der Kirchenvorstand wünschte sich als „Elenden“ einen jüngeren Mann, aber Rassau setzte sich schließlich mit seiner Interpretation eines Greises durch.

Das Kunstwerk wurde 1911 aufgestellt. Es trägt zwar deutlich die Handschrift des beginnenden 20. Jahrhunderts, jedoch wird der barocke Gesamteindruck der Kirche dadurch kaum geschmälert.

Näheres dazu im Text von Gisela Nitzsche in der Jubiläumsschrift „300 Jahre Marienkirche“.

Der Altarraum
  1. Barocker Kanzelaltar - bestimmendes Raumelement in sächsischen Kirchen des 18. Jahrhunderts
    Die erhöhte Position der Kanzel verdeutlicht u. a. die Bedeutung der Predigt im evangelischen Gottesdienst. Der Prediger steht hier zwischen den Aposteln Petrus und Paulus, die mit einer aufgeschlagenen Bibel auf Gottes Wort verweisen.
  2. Der geschmückte Altartisch - Kerzen – Zeichen der Liebe, die leuchtet und sich dabei verschwendet
    Schnittblumen schenken Freude – so wie Jesus, dessen Leben abgebrochen wurde, zur Quelle der Freude für Menschen werden kann
    Agende – Buch zur liturgischen Gestaltung des Gottesdienstes
  3. Tafelbild - Franken um 1480, wahrscheinlich von Wilhelm Pleydenwurff.
    Geschenk des Kirchenpatrons und Kunstliebhabers Eucharius Gottlieb Rink von Dorstig (1670 - 1745).
  4. Giebel mit Wappen der alten Patronatsfamilien Rink von Dorstig und Schmied von Schmiedefeld
  5. Lesepult - Der Lektor liest hier die Bibeltexte des jeweiligen Tages (mit Mikrofon und Verstärkeranlage für Hörbehinderte)
  6. Taufstein von 1703
  7. Fenster nach Osten - Die meisten Kirchen sind mit der Altarseite zur aufgehenden Sonne ausgerichtet, als Zeichen des Glaubens an die Auferstehung. Maria von Magdala und die anderen Frauen hatten bei Sonnenaufgang Jesu Grab leer gefunden, als Jesus auferstanden war. Diesen Tag feiern wir heute als Osterfest.
  8. Empore – für manche Gottesdienstbesucher der Lieblingsplatz...
  9. Heizung – die Kirche ist im Winter angenehm warm!
  10. Parament - gewebtes Tuch in verschiedenen Farben, die im Laufe des Kirchenjahres wechseln
  11. Petrus - "Mit dem Schlüssel der Vergebung schließe ich den Himmel auf."
  12. Paulus - "Mit dem Schwert trenne ich Gutes von Bösem."

Nach Frieder Wünsche: “Marienkirche Stötteritz – Die Ausstattung und ihre Funktion im Gottesdienst“, edition Akanthus, Leipzig 2003 (zu beziehen über die Marienkirchgemeinde)

Für Kunsthistoriker interessant sind die Ausführungen von Prof. Dr. Hartmut Mai zur Bedeutung des Kanzelaltars:

  • Mai, Hartmut: Der evangelische Kanzelaltar – Geschichte und Bedeutung (Halle 1969)
  • Mai, Hartmut: Ein Denkmal des Leipziger Barock – 300 Jahre Marienkirche. In: Leipziger Blätter 42, (2003) S. 49 - 51
Das Tafelbild

Das Tryptichon zeigt von links nach rechts entscheidende Ereignisse aus Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. Jede der drei Tafeln zeigt eine Szene im Vordergrund und eine im Hintergrund. Ein gemalter Weg führt den Betrachter durch die über die drei Tafeln durchgehend gemalte Landschaft von Szene zu Szene.

Linke Seite:

Im Vordergrund ist Jesus im Garten Gethsemane mit den Jüngern Petrus (im weißen Gewand), Johannes (im grünen Gewand) und Jakobus (rotes Gewand) zu sehen. Petrus hat ein Schwert in der Hand, mit dem er einem Tempelsoldaten ein Ohr abschlagen wird, das Jesus dann aber wieder anheilt. Hinten kommt im gelben Gewand Judas Ischarioth. Er weist mit dem Finger der einen Hand auf Jesus und hat in der anderen Hand einen Beutel mit Geld, das er für den Verrat bekommen hat.

Mitte:

Im Hintergrund bricht Jesus beim Kreuztragen zusammen, im Vordergrund ist die Kreuzigung dargestellt. Am Fuß des Kreuzes kniet Maria von Magdala. Links hinter ihr steht mit gekreuzten Armen Maria, die Mutter Jesu, hinter ihr Salome und neben ihr Maria, die Mutter des Jakobus. Die anderen Frauen werden in der Bibel nicht genannt. Alle Personen sind der Mode des späten Mittelalters gemäß gekleidet.

Rechte Seite:

Im Vordergrund ist die Auferstehung dargestellt. Die Darstellung des Grabes in Form eines steinernen Sarges ist typisch für Nürnberg in dieser Zeit. Jesus hält einen Kreuzstab aus Bergkristall mit der Siegesfahne in der Hand. Seine Augen sind stereotyp gemalt, d.h. wo der Betrachter auch steht, immer sehen ihn die Augen Jesu an. Im Hintergrund sieht man drei Frauen kommen, die Jesu Leichnam mit kostbaren Ölen salben wollen. Noch weiter hinten ist Petrus in einer Grabeshöhle dargestellt, der nach einer Legende drei Tage über seinen Verrat geweint hat.

Rückseite:

Auch die Rückseite des Altarbildes ist bemalt. Bei sog.  Wandelaltaren wurde die meist aufwändiger bemalte Innenseite nur an Festtagen gezeigt, ansonsten war das dreiteilige Bild zugeklappt.  Bei dem Tafelbild in der Marienkirche scheint diese Bestimmung allerdings schon zur Entstehungszeit aufgegeben worden zu sein, denn es finden sich keine Spuren von Scharnieren, und die auf der Rückseite in Temperafarben ausgeführten Bilder wirken wie nicht fortgeführte Entwürfe. Auf der einen Seite sind die Märtyrer Johannes und Paulus von Rom aus dem 4. Jahrhundert zu sehen, auf der anderen die Steinigung des heiligen Stephanus.

Die Orgel

In der Marienkirche stand bis zum Ende des 19.Jahrhunderts eine kleine einmanualige Barockorgel. Der barocke Prospekt dieser Vorgängerorgel ist erhalten und fügt sich wunderbar in den Gesamtkirchenraum ein. Im Jahre 1899 baute der Orgelbauer Emil Müller (Werdau) eine neue Orgel. Sie besitzt neben dem Pedal nicht mehr nur ein, sondern zwei Manuale. Das erhöht die Möglichkeiten des Spielers der Orgel. Mit 18 Registern erklingt die Orgel in den verschiedensten Klangfarben. Die Orgel wurde vor und nach dem II. Weltkrieg durch Hans Michel (Crimmitschau) und Hermann Lahmann (Leipzig) umgebaut. Im Jahre 2005 fand eine gründliche Sanierung durch Gerd Bochmann (Kohren - Sahlis) statt. Der Magazinbalg und das elektrische Gebläse befinden sich auf dem Dachboden bzw. im Turm.

Die jetzige Disposition

1. Manual 2. Manual Pedal
Prinzipal 8’ Pommer16’ Subbass 16’
Gedackt 8’ Rohrflöte 8’ Pommer 16’
Oktave 4’ Flöte 4’ Baßflöte 8’
Blockflöte 2’ Nassat 2 2/3’ Choralbass 4’
Mixtur 3-4 fach Prinzipal 2’ Nachthorn 2’
  Scharff 3-4fach
Terz 1 3/5
Glöckleinton