Klagezeit – Hören. Schweigen. Beten.

Kirche gibt Raum für Nöte – neues Gebets-Angebot in Coronazeiten von evangelischer und katholischer Kirche in Leipzig und dem Institut für Praktische Theologie der Universität Leipzig

Im Selbstverständnis kirchlicher Arbeit liegt es, keine vorschnellen Antworten und Deutungen der Lage zu geben. Kirche öffnet Räume, in die Menschen mit ihren widersprüchlichen Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen eintreten können. Jenseits des Urteils über berechtigte und unberechtigte Anliegen oder den Streit um den politisch richtigen Weg, kommen ihre Nöte zur Sprache. Dafür, so glauben die Initiatoren des neuen Angebotes, ist es Zeit die biblischen und gottesdienstlichen Traditionen der Klage stärker zur Geltung zu bringen. In der Klage vor Gott müssen Widersprüche und Spannung nicht aufgelöst werden. Das gemeinsame Hören, Schweigen und Beten verwandelt die Dinge oft schon, vielleicht mehr, als es ein schnelles Wort des Trostes kann, das oft genug nur die eigene Ohnmacht verdeckt.

Corona will kein Ende nehmen. Seit bald einem Jahr sind Menschen in der Stadt mit Tod und Not, Schmerz und Ohnmacht konfrontiert. Sie sind selbst von der Krankheit betroffen, müssen sich um geliebte Menschen sorgen oder sogar von ihnen verabschieden, ringen in ihrer beruflichen Tätigkeit mit den Auswirkungen, leiden unter Einsamkeit, verlieren ihre Lebensgrundlage, stöhnen unter den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, sind gepeinigt von unablässig kreisenden Gedanken. Allein die Betroffenen selbst können treffend beschreiben, wie es ihnen jetzt geht.

Wöchentlich jeden Freitag um 17 Uhr wird eingeladen zur „Klagezeit“ zunächst abwechselnd in der Peterskirche und der Propsteikirche. Auftakt war am 15. Januar in der Propsteikirche. Das nächste Mal wird am 22. Januar zum Gebet in der Peterskirche eingeladen. In einer reichlichen halben Stunde kommen ein oder zwei Menschen zu Wort, die von den Folgen persönlich betroffen sind. Ihre Erfahrungen werden im Gebet aufgenommen. Über die Zeit entsteht eine Mauer aus Ziegelsteinen, von denen jeder Stein für einen Bericht, eine Situation, ein Thema steht. Dorthin können Besucherinnen und Besucher auch ihre eigene Klage bringen.

Im Blick auf die Kontaktbeschränkungen werden wenige Menschen in der Kirche selbst teilnehmen können. Ein Online-Format unter www.klagezeit-leipzig.de bringt das Anliegen ins Netz. Dort kann das Gebet im Livestream mitverfolgt werden. Die Grenze von virtuellem und analogem Raum wird durchlässig. Gebet und Nöte der User im Internet werden real in den Kirchenraum getragen. Auf der Internetseite gibt es eine digitale Klagemauer. Die Gebete und Erfahrungsberichte der vergangenen Freitagsveranstaltungen stehen zum Nachlesen und Anschauen bereit. Hinweise auf weitere kirchliche Angebote im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Coronavirus finden sich ebenfalls.

Superintendent Sebastian Feydt: „Wir wollen Worte finden angesichts der bedrückenden Sprachlosigkeit: Klagen und schweigen. Im Gebet wird das möglich. In Kirchen im Herzen der Stadt. Mitten im Auf und Ab des Alltags. Stellvertretend für die Menschen in Leipzig.“

Propst Gregor Giele: „So viele Menschen gehen zur Zeit bis an den Rand ihrer Kräfte und darüber hinaus. Sie nehmen es mit dem Virus auf. Dennoch bleibt etwas übrig: der Schmerz, die Not, die erlebten persönlichen Grenzen. All das kann vor Gott gebracht werden.“

Prof. Alexander Deeg: „Kirchen sind auch ein Ort öffentlicher Trauer. Gebete in ihnen bieten die Chance, dass sich die wechselseitige Anklage in die gemeinsame Klage vor Gott wendet. Hoffnung, die diesen Namen verdient, entsteht nicht jenseits der Klage, sondern durch Klagen und Schweigen hindurch.“

 

Neues Gebets-Format Klagezeit in Coronazeiten:

  • Kooperation von Ev.-Luth. Kirchenbezirk Leipzig, Röm.-kath. Dekanat Leipzig und Institut für praktische Theologie der Universität Leipzig
  • jeden Freitag 17.00 Uhr live
  • zunächst bis Karfreitag
  • wechselnd in der Peterskirche und der Propsteikirche
  • parallel im Netz unter www.klagezeit-leipzig.de
  • im Netz auch digitale „Klagemauer“, Stücke aus dem Live-Gottesdienst, weitere Anregungen und Informationen

 

Weitere Informationen über www.klagezeit-leipzig.de oder  
über Lüder Laskowski, Mobil 0160/93635136, Email lueder.laskowski@evlks.de

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